„Circ…us“ von Hans Henning Paar. Tanz: Vittoria Carpegna, Leander Veiz und Ensemble Theater Regensburg

„Circ…us“ von Hans Henning Paar. Tanz: Vittoria Carpegna, Leander Veiz und Ensemble Theater Regensburg

Teufelskreis mit brillanten Ecken und Kanten

Im Antoniushaus feierte der von Hans Henning Paar in Szene gesetzte Tanzabend „Circ…us“ eine umjubelte Premiere

Diese Clowns von Choreograf Hans Henning Paar sind nicht nur Spaßmacher, sondern auch Besserwisser und Dummköpfe, sie verkörpern das Unheimliche und das Boshafte.

Regensburg, 26/03/2024

von Peter Geiger

Das, was es über diesen am Ende von stehenden Ovationen begleiteten, achtzigminütigen Premieren-Tanzabend zu meckern gäbe, es steht sowieso schon im Programmheft zu lesen. Und bedarf deshalb eigentlich keiner besonderen Erwähnung. Aber weil sich dieses Detail gleichzeitig als flotter Einstiegsgedanke anbietet, sei kurz darauf verwiesen. Denn der im Titel „Circ…us“ wortspielerisch versprochene Kreis, der mit drei Punkten das „us“ (woraus, Englisch gelesen, im Deutschen das „Wir“ der Zuschauenden wird) absetzt und so suggerieren soll, dass das Publikum Teil wird, dieses circensischen Teufelskreises, das kann schlechterdings auf dieser Guckkastenbühne hier im Antoniushaus nicht erfüllt werden. Ebenso wenig, wie ein Kamel durchs Nadelöhr passt. Oder Nashörner auf Rollschuhen durch die Savanne fahren. 

Atemberaubend und sensationell

Gast-Choreograf Hans Henning Paar, er ist da ganz offen, erläutert im Gespräch mit Tanzdramaturgin Esther von der Fuhr, dass er das Stück ja eigentlich für eine Rundbühne konzipiert habe, 2017, am Tanztheater in Münster. Hier, für das Antoniushaus aber, da habe er seine choreografischen Ideen erst einmal umschneidern und anpassen müssen, an die speziellen Gegebenheiten der Örtlichkeit. Weshalb er in den letzten Probewochen intensiv mit seiner Assistentin María Bayarri Pérez und den zehn Tänzerinnen und Tänzern genau daran gearbeitet habe. Hätte sich das Publikum diese Einsicht aber nicht erlesen – die Intensität der allseits spürbaren Begeisterung, sie dürfte keineswegs geringer ausgefallen sein. Denn das, was da diese als schreckliche Clowns verkleideten Hochleistungsakrobaten abliefern, ist schlicht atemberaubend und sensationell. Und lässt sich auch am besten genießen, wenn man nicht ständig das Gesehene einer Analyse unterzieht und sich selbst Rechenschaft ablegt – sondern sich ganz einfach fallen lässt und hingibt, an dieses an Groteske und Abnormitäten so reiche Panoptikum. Zur wirbelnden Musik von „Fanfare Ciocărlia“, einer aus Rumänien stammenden Brassband, die aus der Konserve erklingt, bewegt sich das schwarz-weiß geschminkte Ensemble hampelnd und klappernd über das rechteckige Spielfeld und bietet damit ein Abbild des auf Hochtouren laufenden Hamsterrads unserer Gegenwart – wenngleich das rote Tuch, unter dem die Akteure zunächst verborgen waren, statt des Vorhangs, die eigentlich beabsichtigte manegenhafte Rundheit betonen hatte sollen. 

Erdenschwere, am seidenen Faden

„Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“, dieser dem französischen Schriftsteller und Maler Francis Picabia zugeschriebene Satz (der auch im Programmheft zitiert wird), konnte lange Zeit als Verheißung begriffen werden. Heute allerdings, da sich überlappende Krisen als Verunsicherungsverstärker erweisen und Anzug und Krawatte tragende Horrorclowns wie Donald Trump sich als Stammgäste auf der politischen Bühne eingenistet haben, kann ein solcher Satz auch als Drohung empfunden werden. Weil ja auch Verschwörungsbehauptungen und längst widerlegte Mythen ihrerseits quer laufen, zu all den etablierten Denkfiguren, die sich aber ihrerseits als zahnlos erwiesen haben, in der Abwehr dieser Krisen. Hans Henning Paar liebt seit seiner Kindheit die Clowns, weshalb er ihnen als Choreograf ein Bühnenleben einhaucht. Und sie auferstehen lässt, in der Ausprägung als Spaßmacher, Besserwisser, Melancholiker und Dummköpfe, aber auch als Inkarnationen des Unheimlichen und Boshaften. Was wir als Zuschauer zu sehen bekommen, das ist die wenig glanzvolle Rückseite dieser Figuren. Sie entlarven sich als Egoisten und rivalisierende Banden, die einander attackieren. Zwei der insgesamt 18 Einzelszenen freilich verdienen es, besonders hervorgehoben zu werden: Zum einen Chih-Yuan Yang, der mit seinen an seidenen Fäden befindlichen Luftballons der Erdenschwere zu entkommen sucht, vergeblich freilich, weil ihm die Konkurrenz die Levitation vermiest. Und jene beiden janusköpfigen Figuren, die die Illusion der Vorder- und Rückseite der menschlichen Existenz so meisterhaft verdrehen, dass es egal zu sein scheint, ob man nun auf diese Ästhetik des Hässlichen von einer Seite nur drauf schaut – oder Teil des Zirkels ist. Wir, das Publikum, sind es. Auch aus der Guckkastenperspektive. 

 

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