„Dance Lab 3.0“ am Theater Regensburg, Tanz: u.a. Win McCain

„Dance Lab 3.0“ am Theater Regensburg, Tanz: u.a. Win McCain

Kindheitsträume und archaische Rituale

Vielseitiger Tanzabend mit Dance Lab 3.0 am Theater Regensburg

Anders als erwartet und geplant, gestaltete sich die diesjährige Premiere von Dance Lab 3.0 am Theater Regensburg. Dass anders keineswegs schlecht ist, konnten die Zuschauer*innen erleben

Regensburg, 14/05/2025

„Wir mussten“, verweist der Sprecher vor dem Bühnenvorhang im kleinen Theater am Haidplatz mit ernster Stimme „einiges umstellen“. Damit war auch den noch Uninformierten im Publikum klar, dass die Premiere des diesjährigen Dance Lab 3.0 anders verlaufen würde als erwartet. Der Tänzer und an diesem Abend auch Choreograf Vincent Wodrich sei erkrankt und habe die Premiere absagen müssen, verrät Dramaturg Sascha Pieper. Deshalb habe man hinter der Bühne fieberhaft daran gearbeitet, „den Abend so zu gestalten, dass er doch noch zu einem Erlebnis wird“. 

Anders als gedacht

Zwar würden nunmehr, erläutert er die Umstellung, zwei von insgesamt acht Stücken junger Choreografen nicht vorgestellt werden können. Bei einem weiteren Stück, „Free Solos“ von Win McCain habe der Choreograf den Tanzpart Wodrichs selbst übernommen. Wie sich herausstellt, ist auch eine Korrektur der Erwartungshaltung bei dieser Choreografie vonnöten. In dem von McCain entwickelten Stück geht es keineswegs, wie man aufgrund des Titels vermuten könnte, um freie improvisierte Soli der Tanzenden. „Free Solos“ ist vielmehr eine Form des Kletterns, bei der keine Seile oder Kletterausrüstung verwendet werden. McCain und Chih-Yuan Yang loten Parallelen zwischen ihrem Vorgehen beim Tanz und dem von Kletterern aus. Kleine Vorsprünge, Felsnasen und Kanten auf denen die Tänzer*innen mühsam balancieren, sich halten, weitertasten, sind wie in einer Kletterwand auf Platten montiert und liegen hier auf dem Tanzboden. Mit seitlichem Licht von ‚oben‘ gelingt das Umdenken von der Horizontale in die Vertikale. Man spürt, wie die Tänzer*innen jeden Schritt, jeden Griff, jede Fußposition prüfen – und dann ein Stück weiterkommen. Die Gliedmaßen der beiden scheinen wie losgelöst und greifen oder ertasten selbständig den nächsten Halt. Immer wieder beginnen die beiden von vorne, nutzen sich gegenseitig um ihr imaginiertes Ziel zu erreichen. Ein spannender Tanz ‚in der Wand‘, voll schweißtreibenden Zögerns und Suchens nach der passenden Position.

War beim Klettertanz auch gegenseitiges Stützen und Sichern angesagt, ist davon in „Echoes of Language“ von Soleil Jean-Marain zunächst wenig zu spüren. Hinter drei Leuchtstoffröhren, die wie Lichtschwerter auf Brusthöhe schwebten, formulieren Reina Tokutake, McCain und erneut Yang ein jeweils eigenes dynamisches Bewegungsvokabular frontal zum Zuschauerraum. Langsam kristallisiert sich heraus, wie sie parallel und zugleich korrespondierend auf die perkussive Musik von Maki Ishiis Komposition „13 Drums“ reagieren. Wie kommunizierende Röhren sind sie verbunden und dennoch im eigenen Raum. Sie bremsen ab, werden schneller, dynamischer, hektisch, zucken und zappeln wie die hochgezogenen weißen Leuchtstoffröhren, fallen in sich zusammen. Der Sound von außen setzt die Impulse.

Faltenrock und Schaukelpferd

Nostalgisch mutet der matt beleuchtete Schaukelstuhl an, in dem Maria Bayarri Perez` Stück „Deixa`m que et conte…“ (deutsch „Lass mich dir erzählen“) beginnt. Mit Davi Lopes und Leander Veizi erzählt darin Perez, die selbst mittanzt, in eindringlichen Hebungen, großer Ausdrucksstärke und synchronen Passagen von Zuneigung, intimer Nähe und inneren Zerrissenheiten. Für die Trainingsleiterin ist es eine Auseinandersetzung mit den Veränderungen, die sich durch die Geburt ihres ersten Kindes in ihrem Leben ergeben haben. 

Archaisch und kraftvoll lässt „Emboscada“ von Davi Lopes, das er packend mit Soleil Jean-Marain tanzt, zu Spoken-word-Musik an Rituale und alte Zeremonien denken. Musikalisch werden wechselnde Stimmungen heraufbeschworen, die sich durch gedämpftes Licht und ein von der Decke hängendes Gewebe zu starken Eindrücken verdichten. 

Den vergnüglichsten Beitrag liefert Reina Tokutake mit ihrem Schlafanzug-Solo „Sleep With A High Pillow“. Für diesen heiteren, entspannten Eindruck in die japanische Lebenswelt, „mit einem hohen Kissen“, also sorgenfrei zu schlafen, bekommt Tokutake jubelnden Applaus. Den bekam auch Choreograf und Tänzer Chih-Yuan Yang für seine Erinnerungsarbeit um Kinderträume und deren Reflexion im späteren Erwachsenenleben: „Childhood Dreams Reworked“. Mit Faltenrock, Swingmusik und Schaukelpferd werden nostalgische Bilder wach, die dann einen Kontrast zu den Erfahrungen und Kompromissen des Erwachsenenseins bilden. 

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