„Bacon“ von Yuki Mori, Tanz: Ensemble

In Gold getaucht, aus Gewalt geschlüpft

Die Uraufführung des Tanzabends „BilderRausch: Klimt.Bacon“ mit herausfordernden Choreografien von Yuki Mori und Felix Landerer in Regensburg überzeugte in jeder Hinsicht.

Ein choreografisch, musikalisch und ausstattungsmäßig gelungener Abend, der Stoff zur weiteren Auseinandersetzung bot.

Regensburg, 20/02/2018

Den Künstler kennt jeder. Tatsächlich? Nur weil jemand den „Kuss“ oder die „Judith“ auf Anhieb zuordnen und den Namen Gustav Klimt richtig aussprechen kann, heißt das nicht, dass er oder sie den österreichischen Maler des Jugendstils auch kennt. Einen tieferen und anderen Blick auf diesen zu Lebzeiten tatsächlich noch umstrittenen Malerstar ermöglicht das Theater Regensburg mit dem Tanzabend „Bilderrausch: Klimt.Bacon“, der am Wochenende seine Uraufführung erlebte. Tanzchef Yuki Mori hat sich dazu Felix Landerer als Gastchoreografen eingeladen; die beiden kennen sich schon seit ihrer gemeinsamen Zeit in Hannover bei Stephan Toss.

Anders als von manchen Tanzfans erwartet, hat sich der eher romantisch veranlagte Mori den deutlich weniger populären Francis Bacon vorgenommen. Die Biografie des homosexuellen britischen Malers ist von Gewalt, Sucht, Schmerz und Tod geprägt. Existenzielle Erfahrungen, die in vielen seiner Bilder zum Ausdruck kommt. Die tiefen Emotionen, die er damit bis heute bei Betrachtern auslöst, kommen auch in Moris Choreografie zum Tragen, wenn auch kaum mit der Wucht und Unmittelbarkeit von Bacons verunstalteten Gesichtern und geschundenen Körpern. Doch bereits eingangs, wenn die in rotes Licht getauchte Bühne sichtbar wird, drängt die von totem Fleisch und Gewalt beseelte Welt des Malers in den Fokus. Rechts hängt eine enthäutete Rinderhälfte über der Bühne, und aus einem unappetitlichen Haufen schälen sich Leiber in fleischfarbenen Bodies. Francis Bacon, in seiner inneren Zerrissenheit, seiner Einsamkeit und den dunklen Leidenschaften packend getanzt von Fabian Moreira Costa, bekommt von Mori einen Schatten (Tommaso Quartani) angehängt. Dieser schlüpft anfangs aus der blutigen Rinderhälfte und bleibt an ihm hängen. In großartigen Duetten voller Eleganz, zarter Intimität und wilder Härte fungiert er gleichermaßen als Schutzgeist, Dämon und Trostspender. Noch spektakulärer gerät der Schluss der intellektuell herausfordernden Choreografie. Bacon (Costa) schlüpft selbst in den Tierkörper und verschwindet im toten Fleisch. Das wirkt etwas dick aufgetragen, gibt dem sehr abstrakten und emotional manchmal schwer zu fassenden Tanzstück aber eine ungemein starke körperliche Präsenz und Direktheit.

Motive Bacons, die oft in seinen Bildern auftauchen, wie der zum – stummen – Schrei aufgerissene Mund, verschobene Gesichter und verrenkte und gequälte Körperhaltungen, sind auch wiederkehrende Bestandteile des Tanzes. Bacons oft verwendete Form des Triptychons wird in einem Trio sichtbar. Eine der herausforderndsten Choreografien Yuki Moris spiegelt sich auch in der großartigen Musikauswahl wider. Zwischen kurzen freejazzartigen Extremen und Orchesterstücken von Arvo Pärt, der bulgarischen Komponistin Dobrinka Tabakov und Henryk Góreckis „Kleines Requiem für eine Polka“ entsteht ein klangliches Universum, das hervorragend mit dem Tanz korrespondiert.

Sogar noch ein wenig spannender als bei Bacon ist die musikalische und soundbasierte Gestaltung von Felix Landerers „Klimt“. Beruhend auf Musik von Max Reger hat Christof Littmann ein Konzept entwickelt, das zwischen Originalkompositionen und daraus geformten elektronischen Klangbildern pendelt. Geht es um den Maler in seiner Zeit, seine sexuellen Affären und erotischen Abenteuer, schwelgt das Städtische Orchester in romantischen Schwärmereien. In geräuschhaften Klanglandschaften und dunklen elektronischen Grooves sind die Entwicklungen des extrem patriarchalisch-phallisch konzentrierten Weltbildes in Bezug gesetzt zur heutigen Zeit. Gustav Klimt war ein „Frauenheld, der mit vielen Frauen sexuelle Beziehungen pflegte, darunter auch solchen, die er porträtierte. Landerer fand dafür plakative Bilder und tänzerische Lösungen, die in einer wunderbaren Überspitztheit und Drastik geradezu komisch wirkten. Offenbar findet der niedersächsische Künstler Gefallen am schwarzen österreichischen Humor. Den Weltkünstler und Lebemann Klimt verkörperten die fünf Männer der Tanzkompanie im einheitlichen, gutbürgerlichen Aufzug. Seine Modelle, Gespielinnen und Gefährtinnen dagegen, in der damaligen Zeit vorwiegend als schöne Dekorationsobjekte angesehene und benutzte Frauen, tanzten in individuellen Kostümen. Köstlich die kleine Rei Okunishi im Gestänge eines Reifrocks, zwischen verführerisch-böser Lust und kindlicher Unschuld. Immer wieder aufgenommene Gesten und einfallsreiche Bewegungsformen skizzierten in deutlicher Plastizität das Zurechtbiegen und Formen der Frauen – und in Ansätzen des Mannes, der aber letztlich immer noch die Oberhand hat. Im Ensemble, wie solistisch ganz hervorragend getanzt, war die fast zweistündige Uraufführung ein spannendes, ja kurzweiliges Erlebnis, das ordentlich Stoff zur weiteren Auseinandersetzung geboten hat. Eingeschlossen in dieses Lob – die gelungene Bühnengestaltung (Dorit Lievenbrück) mit der in rauschendes Gold getauchten, fliegenden Scheibe bei „Klimt“ und die exquisiten Kostüme (Katharina Meintke) vor allem bei „Bacon“.

 

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