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München
FEST DER SINNE
„Bayerisches Junior Ballett München“ mit zwei Juwelen im Prinzregententheater
Vor knapp 101 Jahren, schlug die Geburtsstunde des „Triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer, das am 30. September 1922 in Stuttgart uraufgeführt wurde. Dem Choreografen Gerhard Bohner, der das Werk des bedeutendsten Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer im Jahr 1977 rekonstruiert hatte, ist es zu verdanken, dieses Werk aus seinem Schattendasein zu befreien. Mit dabei war 1977 die Kostümbildnerin Ulrike Dietrich, denn von den insgesamt 18 realisierten Kostümen haben nur neun den Zweiten Weltkrieg überstanden, sieben stehen heute in der Staatsgalerie Stuttgart. Mit Hilfe dieser Museumsstücke sowie vorhandener Entwürfe Schlemmers und auch von Fotos und Beschreibungen konnten die Kostüme für die Neufassung 1977 mit ihrer Expertise originalgetreu rekonstruiert werden. Der Komponist Hans-Joachim Hespos schrieb damals eigens dafür die Musik.
Seitdem tritt dieses Meisterwerk der Avantgarde der Bauhaus-Epoche weltweit seinen Siegeszug an - bis heute, denn dieses zeitlose, „abstrakte Bildertheater“ trifft 100 Jahre später noch den Nerv der Zeit. Ungebrochen ist daher auch hier in München die Nachfrage des „Triadischen Balletts“ getanzt vom „Bayerischen Junior Ballett“ einstudiert von Ivan Liška und Colleen Scott, weshalb zusätzlich zu den zwei angesetzten Terminen eine Zusatzvorstellung auf dem Programm steht. Das Besondere: Ivan Liška und Colleen Scott wirkten bei der Rekonstruktion des Balletts im Jahr 1977 selbst als Tänzer*innen mit.
Warum spricht dieses Ballett, dieses „Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts“ den Menschen so aus der Seele? Die existenziellen Frage nach der Beziehung „Mensch und Maschine“ bewegt die Menschen nach wie vor, um nur auf eine Dimension dieses Werkes einzugehen. Ikonisch ist dieses Bauhaus-Werk wohl deshalb, weil genau die Beweglichkeit, diejenige Virtuosität, die man eigentlich mit dem klassischen Ballett verbindet, hier reduziert wird. In gewisser Weise wird diese Beweglichkeit in Frage gestellt, denn hohe Sprünge, schnelle Drehungen, hohe Beine sind hier nur eingeschränkt zu sehen. Die Kostüme setzen da Grenzen, ob es sich dabei um den großen Rock, die Scheiben oder den Harlekin-Hampelmann handelt. Letzterer erlaubt nur Seitwärtsbewegungen. In der Reduktion der Bewegung und in der Abstraktion liegt aber auch der Reiz des Werkes, was auch auf Hespos Musik zutrifft. Die Kreativität der jungen Tänzer*innen ist gefragt, der sie sich in dieser ungewohnten Weise hier mit Hingabe stellen (müssen), um damit über sich hinauszuwachsen. Vielleicht lässt es sich so formulieren, dass der äußeren Beschränkung, der Reduktion bis hin zum Abstrakten die Fantasie folgen muss - eigentlich ein Lebensprinzip?
Die Zahl Drei, die bei Schlemmer in den verschiedenen Konstellationen augenfällig ist (Dreidimensionalität, drei Stimmungen, drei Grundformen, drei Farben), setzt einen Rahmen, der auch an die Zahlensymbolik in Märchen erinnert. Dass trotz der mechanischen Bewegungen, manchmal zeitlupenartig kleine Geschichten zwischen den Tänzer*innen entstehen, mal humorvoll, mal feierlich getragen, mal burlesk, macht dieses Werk zeitlos lebendig.
Den Auftakt dieses abwechslungsreichen, wie für die jungen Künstler*innen herausfordernden Ballettabends bildete Hans van Manens ebenfalls künstlerisch anspruchsvolles neoklassisches „Concertante“ von 1994 für acht Tänzer*innen. Humorvolle Passagen, sowie kleinere Gruppentänze, Trios und Duette wechseln einander ab. Die fließenden Bewegungen dieses dynamischen Eingangsstücks bilden den Kontrapunkt zum „Triadischem Ballett“ - ein erfüllender, virtuoser Ballettabend, der damit die Tanzgeschichte fortschreibt.
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