VORANKÜNDIGUNGEN
schwere reiter. München
WIEDERAUFNAHME VON OSTRUSCHNJAK`S UNSTERN
Unstern, ein Tanzstück von Moritz Ostruschnjak, ist Ende Juni nochmals zwei Tage im schwere reiter zu sehen.
Unstern: Das Wort ist seit dem 16. Jahrhundert belegt. Eine Lehnübersetzung von französisch désastre.
Es bedeutet schlechtes Vorzeichen, ein ungünstiges, böses Geschick.
n den Jahren vor 1914 gestaltete sich das moderne Europa. Die Rasanz technischer Innovationen und industrieller Produktion, die Urbanisierung, die Globalisierung der Wirtschaft verbanden sich mit grundlegendem gesellschaftlichem Wandel und führten zu einem Modernisierungsschub, der für die Menschen dieser Zeit eine fundamentalte Erschütterung bedeutet, die schnell in aggressive Zurschaustellung von Männlichkeit, Militarismus, Imperialismus und Nationalismus umschlug. Eine Zeit, in der sich Euphorie und
Unsicherheit zu einem nervösen Taumel verwoben, der den ganzen Kontinent in den ersten Weltkrieg riss. Diese Stimmung des beginnenden 20. Jahrhunderts dient Moritz Ostruschnjak als Inspirationsquelle und Folie für eine choreografische Befragung heraufziehenden Unheils.
„Unstern“ beleuchtet in kaleidoskophaften Szenen den Moment vor der Katastrophe, jene Melange aus Gewaltbereitschaft, nationalistischer Propaganda, beginnendem Kriegsgeheul, Machismo und Verunsicherung.
In einen weiten leeren Raum lässt „Unstern“ eine düstere, drohende Stimmung heraufziehen. Euphorie, Ektase und Zusammenbruch stehen dabei unmittelbar beieinander. Die Sehnsucht nach dem Kollektiv lässt Körperformationen entstehen, die einerseits in Aggression und Gewaltbereitschaft ausufern und andererseits in Zurichtung und Disziplinierung von Körpern münden. Der Demonstration von Dominanz und Herrschaft folgt die Kapitulation und Zerstörung. Aus expressiven Bildern formen sich narrative Bewegungsabläufe und performative Szenen. Eine Abfolge von Zuständen, Empfindungen und Motiven verdichtet sich zum Bild einer Gesellschaft am Abgrund, dem Beginn einer Epoche.
Ästhetisch setzt Ostruschnjak dem Thema der Moderne eine fast klassisch, minimalistische Anmutung gegenüber. Musikalisch und visuell werden traditionelle Elemente aufgerufen. Dem Wandel wird so die scheinbare Sicherheit des Gestern entgegengesetzt, nur um aufgelöst zu werden, zu zerfallen, beschädigt und verzerrt zu werden.
In seinen vorhergehenden Arbeiten „Text Neck“ und „BOIDS“ hat sich der Choreograf mit den Veränderungen der körperlichen und sozialen Erlebnisfähigkeit in Zeiten der Digitalisierung und Virtualisierung befasst. Hier schließt „Unstern“ an und reflektiert mit dem Rückgriff auf den Beginn des 20. Jahrhunderts grundlegende Parameter eines gesellschaftlichen, technischen und politischen Wandels und seiner Implikationen. Mit Blick auf die Schrecken der Vergangenheit, stellt „Unstern“ die Frage nach der Zukunft.
UNSTERN (Wiederaufnahme)
Moritz Ostruschnjak
28. & 29. Juni 2019, 20:30
(Premiere: 13. September 2018, 20:30)
schwere reiter, Dachauerstr. 114., www.schwerereiter.de
Tickets: 17,- / 10,- erm. / Reservierung: 089 / 721 10 15 oder www.schwerereiter.de
Idee, Konzept: Moritz Ostruschnjak
Choreografie: Moritz Ostruschnjak in Zusammenarbeit mit Daniela Bendini und den Tänzer_innen
Tanz: Fanni Esterházy, Antoine Roux-Briffaud, Gaetano Badalamenti, Lazare Huet
Video: Moritz Stumm
Music mixing, editing, compiling: Jonas Friedlich
Lichtdesign: Tanja Rühl
Kostüm: Renate Ostruschnjak
Tontechnik: Paolo Mariangeli
Produktionsleitung: Hannah Melder
PR: Simone Lutz PR
Moritz Ostruschnjak
Moritz Ostruschnjak ist freischaffender Choreograf und Tänzer aus München. In Marburg geboren, studierte er bei der Iwanson Schule für Zeitgenössischen Tanz in München und vervollständigte seine Ausbildung noch bei Maurice Béjart in Lausanne. Es folgten Engagements beim Tanztheater Nürnberg, Nationaltheater Mannheim, Introdans (Niederlande) und bei der Göteborgsoperan Danskompani in Schweden. Er arbeitete unter anderem mit Ultima Vez/Wim Vandekeybus, Sasha Waltz, Frank Chartier (Peeping Tom), Tilmann O'Donnell, Rui Horta, Roberto Zappalla, Mats Ek, Stijn Celis, Michael Keegan-Dolan, Gunilla Heilborn, u.v.a.
Seit 2013 arbeitet er als freischaffender Choreograf und Tänzer in der freien Szene sowie an diversen
Theatern. In München realisierte er das Solo-Projekt "Island of Only Oneland“ (2015), "Text Neck"(2016) sowie „BOIDS“ (2017). Seine Arbeit "I had absolutely no reason to move in any direction"(2017) war am Stadttheater Pforzheim zu sehen und „DSCH“ (2017) am Theater Giessen. Zusammen mit Daniela Bendini choreografierte er für die Dancesoap „Minutemade“ des Balletts des Gärtnerplatztheaters München. Die Produktion "Text Neck" war 2017 zur TANZWERKSTATT EUROPA eingeladen und im Oktober 2018 wurde „BOIDS“ bei RODEO – Münchner Tanz- und Theaterfestival präsentiert. Seit 2016 ist Moritz Ostruschnjak Mitglied des Tanztendenz München e.V.
Auszug aus den Kritiken der Premiere von „Unstern“
„Unstern“ (hinterlässt) mittels der eklektischen Tanzästhetik ein erstaunlich geschlossenes Bild
über die massiven Fehlleistungen menschlicher Über-Potenz. Ohne Zeigefinger oder klebrige Nostalgie gelingt Ostruschnjak ein aktueller politischer Kommentar.
(Rita Argauer, Süddeutsche Zeitung, 17. September 2018)
„Unstern“ zeigt gängige, menschliche und sozialpsychologisch erklärbare Methoden, Mechanismen und Phänomene, die in Pop, Propaganda und Politik zu finden sind. Doch wie schützt man sich davor? Wie geht man damit um? (...) Durch Information? Durch Reflektion? Durch Diskussion? Bestimmt. Aber auch durch Tanzperformances, die in die Tiefe gehen, anklagen, konfrontieren und anstoßen. „Unstern“ von Moritz Ostruschnjak ist eine davon.
(Natalie Broschat, Tanznetz, 14. September 2018)
Jede Szene zieht einen mit: der militärische Bodenübungs-Drill, das erlöste tänzerische Laufen in
die Freiheit, die anverwandte Allüre tänzelnder Pferde, der „unendliche Kuss“, der sich bei wechselnden Partnern jeweils in andere Umarmungsformen verschiebt. Ostruschnjaks Stil im Wechsel zwischen schlenkernder Lockerheit und höchster Muskelanspannung hat eine wunderbare Frische, hinter der jedoch die harte Arbeit an jeder einzelnen Geste erahnbar wird.“
(Malve Gradinger, Münchner Merkur, 15./16. September 2018)
Jede Neueinstellung schlägt optisch blitzartig unheilverheißend ein. Sie lässt Zuschauer zusammenfahren und fungiert als Signal, dass die insgesamt vier Tanzakteure sich (...) neu formieren. Immer wieder herrscht für Momente die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. (...) Plötzlich sind da zwei Kontrahenten, die sich lautstark bedrohen. Doch nur kurz übertönt der Lärm alles. Ostruschnjak (...) erstickt das kriegerisch aufgebrachte Gejaule unerwartet in einem Kuss. Eben solche realistisch ungreifbaren Szenen zeichnen das Stück aus.“
(Vesna Mlakar, Abendzeitung, 15./16. September 2018)
Eine Veranstaltung von Moritz Ostruschnjak. Wiederaufnahme und Produktion gefördert durch das
Kulturreferat der Landeshauptstadt München Produktion gefördert durch den BLZT, Bayerischer
Landesverband für zeitgenössischen Tanz, aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und
Kultus, Wissenschaft und Kunst. Realisiert durch eine Residency des Theater Freiburg. Mit freundlicher
Unterstützung durch Stage Axis. Moritz Ostruschnjak ist Mitglied des Tanztendenz München e.V.
Kommentare zu "Wiederaufnahme von Ostruschnjak`s UNSTERN"
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