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München
AUS DEM SCHMUCKKÄSTCHEN
Balanchines „Jewels“ am Bayerischen Staatsballett
Ein edleres Geburtstagsgeschenk hätte sich und dem Publikum des ausverkauften Opernhauses Patricia Neary, die Botschafterin Balanchines, nicht machen können. Mit 76 Jahren hat sie gerade „Rubies“ in ihrer energischen und zupackenden Art einstudiert, womit sie bewiesen hat, dass die chemische Formel von „Rubies“ (Rubin) Al2O3 weit mehr ist als ein roter Edelstein. Aber dazu später.
Premiere auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters hatte vergangenes Wochenende Balanchines 1967 uraufgeführtes Ballett „Jewels“. Auch wenn Balanchine den Begriff Neoklassizismus nicht schätzte, ist dieses das erste abendfüllende, abstrakte Ballett typisch für diesen Stil.
Mit der Hommage an Petipas romantische Ballette - wie sich nicht nur an den halblangen Ballett-Tütus im zarten Grün ablesen lässt - und der Révérence an das Ursprungsland des Balletts, Frankreich, eröffnete das Bayerische Staatsballett mit „Emeralds“ (Smaragde) Balanchines dreiteiligen Ballettabend „Jewels“. Mit der Öffnung des Vorhangs konnte der Betrachter in das Innere des grün schillernden Kristalls gedanklich eintauchen, der an laue Sommernächte und Wälder der frühromantischen Ballette wie „Giselle“, „La Sylphide“ oder „Undine“ erinnerte. Eine Reihe von Drehungen, Walzerschritten, Spitzentanzfiguren und die tiefen Ports de bras en arrière sprechen klar die Sprache der Romantik. Nicht nur das Corps de ballet beeindruckte durch Symmetrie und Präzision, auch die Solistinnen und Solisten strahlten. Besonderes Lob verdient Jeanette Kakareka, die durch ihre Eleganz, Flexibilität und ihre 'Leichtigkeit des Seins' überzeugte. Scheinbar mühelos, synchron bis in die Finger- und Zehenspitzen schwebte federleicht das Terzett Maria Chiara Bono, Vera Segova und Ariel Merkuri über die Bühne.
Tapetenwechsel: Dem romantischen Ballett des aristokratischen Frankreichs folgte die kontrastierende Welt des Broadway, in die Balanchine mit "Rubies" (ver)führte. Ballerinenikone Patricia Neary, für die Balanchine u.a. die Solopartie choreografierte, zeichnete für diese Einstudierung verantwortlich. Strawinskys freche Rhythmen, provozierende Posen, jazzartige Bewegungen und Stepptanz-(Un)artiges gehören in dieses verruchte Ambiente, wie auch das Diventum einer Ballerina wie Prisca Zeisel, die ihre sie verehrenden Männer gefügig zu machen scheint; dazu passend das Rubinrot der Bühne und die spanisch inspirierten Trikots, die die Atmosphäre dieses schillernden Halbwelt-Szenarios widerspiegeln. Ausdrucksstark, rasant, akrobatisch geht dieses Werk fetzig über die Bühne.
Mit „Diamonds“, in eisblau gehalten, endet die Reise durch die verschiedenen Tanzstile. Das zaristische Russland mit seiner langjährigen Balletttradition als Ziel – dort, wo Balanchine zum ersten Mal mit dem klassischen Tanz in Berührung kam. Auch Zelensky ist die Nähe gerade zu diesem Ballett anzumerken. Er selbst stand als Solist und Tanzpartner mit Ulyana Lopatkina auf der Bühne des Mariinsky Theaters. Zweifellos ist „Diamonds“ dem Bayerischen Staatsballett wie auf den Leib geschneidert. Elegante Posen, Walzerschritte, technische Präzision und Sinn für Formen, wie sie beispielsweise in die Polonaise am Ende des Werkes führen, zählen zu den Stärken des Bayerischen Staatsballetts.
Musikalisch konnte die Ballettkompanie und das Bayerische Staatsorchester in Robert Reimer einen kongenialen Partner gewinnen. Es ist kein Zufall, dass Robert Reimer für das Dirigat dieser facettenreichen Choreografie ausgewählt worden ist, hat er sich doch als „Jewels“-Dirigent schon in Berlin einen Namen gemacht. Dynamische, lupenreine Intonation, nuancenreiches Dirigieren und schlafwandlerische Stilsicherheit zeichnen Reimer aus, der „Jewels“ auch in München als musikalisches Schmuckstück erstrahlen lässt.
Dass mit dem letzten Vorhang noch längst nicht das Ende von „Jewels“ eingeläutet ist, zeigt die außerordentlich lohnende Ballerinen-Clip-Ausstellung des Luxusjuweliers van Cleef & Arpels, der nur ein Pas de chat entfernt vom Bayerischen Staatsballett liegt. Spätestens hier erfährt man nicht nur Wissenswertes über die Machart dieser Ballerinen-Clips - Unikate en minature -, sondern auch über die Entstehung von Balanchines „Jewels“. Diese ist untrennbar mit diesem Juwelier verbunden, was den Charakter seines Kunstwerkes anschaulich macht.
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