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München
STÄRKE DER PROJEKTION
„VERY NATURAL ADAPTION“ von Sabine Glenz in der Muffathalle München
von Dina Wiedemann
Die Arbeiten der Münchner Tänzerin und Choreografin sind bekannt für ihre Fülle an theatralen Mitteln: Neben dem Tanz verwendet Glenz bewegte Bilder (in Form von Videoprojektionen), Licht und Sound. In „VERY NATURAL ADAPTION“ unterstreicht Glenz durch die verwendeten Mittel auch die inhaltliche Ebene: Sie fragt nach der Trennung zwischen Mensch und Natur. In ihren bewegungssprachlichen wie projizierten Formen zeigt sie, dass das Artifizielle, das Künstliche und das Minimalistische konträr sind zu dem Natürlichen. Markus Kunas durchläuft hierbei während der Performance mehrere Entwicklungsstufen und teilt diese mit dem Publikum: Verbunden-Sein mit der Natur, Trennung von der Natur, Verherrlichung der Natur, (Wieder-)Finden des Selbst.
Wie zeigt sich nun dieser Entwicklungsprozess, in dem Glenz den Menschen in die Natur wirft und ihn mit der Natur konfrontiert, um aus der Konfrontation die Verortung des Selbst zu provozieren? Die bewegten Bilder der Videoprojektion stehen im Wechsel mit dem Tanz bzw. der Performance und überschneiden sich. Die Bilder wirken zunächst natürlich, wenn sie einen Waldausschnitt zeigen und werden zunehmend artifiziell und rhythmisiert, wenn sie einen übergenau gezeichneten Horizont und Überblendungen im Wald zeigen.
Auch auf der körperlichen Ebene verändern sich die Bewegungen. Zu Beginn stehen animalische, nachgeahmte Bewegungen, wenn auch minimalistisch und langsam ausgeführt. Wenn Kunas ein Mischpult mit Kabeln auf dem Boden bewegt, er sich auf die Kabel setzt und selbst zu einer Art maschinellem Wesen wird, beginnt er zu zittern. Dort, wo es nun zu einem körperlichen, extremen Ausbruch kommen könnte, vermisst man einen derartigen Höhepunkt. Man findet generell in den Bewegungen alleine keine Extreme. Sabine Glenz bringt mit „VERY NATURAL ADAPTION“ eine Ästhetik auf die Bühne, die, wie ihre vorangehenden Arbeiten, sehr minimalistisch ist. Schließlich steigern hauptsächlich die Videoprojektionen von Manuela Hartel in Verbindung mit dem Sound (v.a. der Einsatz von Drones) von Robert Merdzo die Performance.
Es wird gespielt mit der Anwesenheit und Abwesenheit des Performers, indem Kunas immer wieder im Dunkeln ist oder auf dem Boden gar unsichtbar wird, während die Projektion läuft. Letztendlich wird aber die Projektion so dominant, dass die leibliche Präsenz des Performers verloren geht, gerade weil seine Bewegungen sehr skulptural sind. Durch Nahaufnahmen von Markus Kunas in der Videoprojektion wird die leibliche Präsenz übertragen auf die Projektion und letztendlich zum tragenden Element des Abends.
Somit entsteht kaum Dialog zwischen Film und Performance, der „den momenthaften Blick auf die Entfremdung und Verherrlichung“ (Programmheft) der Natur zeigt, sondern die Geschichte wird hauptsächlich über die Projektion und auch den Sound erzählt und kommuniziert. Der Verlust der leiblichen Präsenz ist durchaus zu bedauern, denn somit geht auch Sabine Glenz‘ Vorliebe für die sonst vernachlässigten, alltäglichen Bewegungen verloren. Markus Kunas führt diese Segmente des Alltags mit Körperspannung und Exaktheit aus und kommt leider dennoch nicht gegen die Stärke der Projektion an.
Kommentare zu "Stärke der Projektion"
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