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München
VERTRACKTES MENSCH-TIER-GETANZE
Helmut Ott mit "Was übrig bleibt" im Schwere-Reiter
„Was übrig bleibt“. Das ist nicht nur der Titel des Stücks von Helmut Ott, welches am Freitag den 07. Juni 2013 seine Premiere feierte, sondern auch die Frage, die dem Zuschauer unbeantwortet bleibt. Obwohl das Spektakel im Zeichen des Tanztheaters steht, ist das Erste, was auffällt, ein großer Bildschirm mit einer gläsernen Zielscheibe. „Mach die Fliege“ und du „isst wie ein Schwein“, ist wohl noch das netteste, was die filmisch präsenten Menschen da von sich geben.
Als währenddessen eine etwas hohlköpfig aussehende menschliche Puppe auf die Bühne kommt in einem grüngelben Anzug, ist zumindest das Thema klar, selbst wenn man das Programm nicht gelesen hat: Es geht um die Beziehung zwischen Mensch und Tier, um die Menschlichkeit oder eher Unmenschlichkeit, die wir ihnen zukommen lassen. Interessanter Aspekt, wenn die Klischees nicht überhandnehmen würden und der Bildschirm zu Anfang präsenter ist, als die Gestalten auf der Bühne. Aus der menschlichen Puppe schält sich nach und nach ein Mensch heraus, während von der Seite eine Frau die eine gelbe Schlange, ein Fisch, ein Huhn, - Interpretationen sind hier gefragt – darstellt sich in einem Netz windend und in einem gelben Anzug gefangen ihren Weg auf den weißen Bühnenteppich erkämpft. Der etwas skurrile pantomimische Teil endet mit der Zerstörung eines Plakates, auf dem Kultur geschrieben steht.
Und endlich kommt der Tanz dazu! Es entsteht ein Hin und Her, das sich aus kurzen Soli der beiden Darsteller, Helmut Ott und Katrin Schafitel, und einem gemeinsamen Duett mit Elementen des modernen Tanzes mit Akrobatik zusammensetzt. Wobei sie einen ständigen Wechsel zwischen dem menschlichen und tierischen Dasein vollziehen. Mit dem Wechsel zwischen menschlichen und tierischen Bewegungselementen verändert sich auch die jeweilige Dominanz beziehungsweise Unterwürfigkeit der beiden Darsteller. Während dieses Ablaufs gibt es allerdings eine Gestalt, die aus dem Rahmen fällt: In der Ecke unter roten und blauen Mosquitonetzen sitzt ein Mann vor einer Nähmaschine, als hielte er die Fäden des Geschehens in der Hand, könne aber nicht direkt mit den Bühnenfiguren in Verbindung gebracht werden. Zwischendurch kommt er aus seinem Versteck hervor um Requisiten – Kuscheltiere, eine Spielzeugente, ein Seil – in das Geschehen einzubringen. Man könnte ihn als „Szenenverwandler“ beschreiben.
Als sich aus dem vertrackten Mensch-Tier-Tanz keine bessere Lösung ergibt, treffen sich die drei Darsteller zum Picknick, während sich die Zuschauer wieder dem Monitor widmen dürfen. Auf welchem einmal vorwärts und dann noch mal rückwärts ein Film mit Tieren, die aufs Grausamste misshandelt und geschlachtet werden, abgespielt wird. Der Gedanke, der einem dabei nur kommen kann, ist: Werde ich jetzt Vegetarier? Hoffentlich ist das die Lösung unserer Probleme!
Nach beendeter Mahlzeit folgt ein Kostümwechsel und es begegnen dem Zuschauer drei Superhelden. Somit stellt sich wieder die Frage, bleibt uns nichts anderes übrig, als auf gleich drei Superhelden zu warten, die uns wieder aus der Patsche helfen?
Was bleibt also noch über dieses Stück zu sagen? Das Programmheft klingt vielversprechend, aber die eigentliche Vorstellung ist eher ernüchternd. Wenn auch ein wichtiges und durchaus diskussionswürdiges Thema angeführt ist, werden der Kern der Idee und die Botschaft wenig deutlich. Tänzerisch bekommt man viel Potential zu sehen, viel interessante Bewegungsqualität, die wenig ausgeschöpft wird. Man wartet auf die Veränderung, auf den Höhepunkt, der einfach nicht kommen will.
Lucia Distler und Lara Paschke
Kommentare zu "Vertracktes Mensch-Tier-Getanze"
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