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Salzburg
VERMISST! ACHTSAMKEIT FÜR DIE CHOREOGRAFIE
Valery Gergiev und das Mariinski-Ballett gastierten in Salzburg
Noch vor wenigen Jahren war ein Gastspiel des Mariinski-Balletts aus St. Petersburg ein mit Spannung erwartetes Ereignis. Der damalige Ballettdirektor Makhar Vasiev war Ansprechpartner und zentral war selbstverständlich das künstlerische Bühnengeschehen eines der bedeutendsten Ensembles der westlichen Hemisphäre. Das zweitägige Gastspiel bei den Salzburger Pfingstfestspielen allerdings war vor allem vom Willen des Intendanten des Mariinski-Theaters und des mit seinem Orchester heftig und temporeich zupackenden Dirigenten Valery Gergiev geprägt.
Was sich sichtbar im Großen Festspielhaus entlud, war ein eklatanter Proben- und Einrichtungsmangel auf der Bühne. Die Ansprüche an ein Orchester sind eben nicht gleichzusetzen mit den Anforderungen an sorgsam platzierte Bühnenkunst an einem Gastspiel-Ort. Wohl hat die künstlerische Leiterin Cecilia Bartoli, die übrigens selbst einmal Flamenco tanzte, im Rahmen ihres Schwerpunkts „Opfer“ für die aktuellen Pfingstfestspiele den Blick auf den 100. Geburtstag von Strawinskys und Nijinskys „Le Sacre du printemps“ gerichtet. Und damit auch die weltweit anerkannte rekonstruierte Inszenierung von Millicent Hodson und Kenneth Archer (seit 2003 im Repertoire der Petersburger) eingeladen, die vor wenigen Tagen auf der zweiten Bühne des Mariinski-Theaters einer mit Spannung erwarteten Neufassung von Sasha Waltz gegenübergestellt wurde, ebenfalls unter Gergiev.
Unter diesen dramaturgischen Klammer stehen auch die Feierlichkeiten zum „Sacre“-Geburtstag am 29. Mai, der in erster Linie in Paris gefeiert und vom arte-Sender übertragen wird. Um so enttäuschender, dass die nötige Sorgfalt, die eine solche Wiederaufführung auch in Salzburg braucht, offenbar nicht eingeplant worden war. Zumal nicht nur „Sacre“, sondern auch die beiden weiteren Strawinsky-Original-Inszenierungen „Les Noces“ von Bronislava Nijinska (1923, Einstudierung 2003 von Howard Sayette) und „Der Feuervogel“ von Michail Fokin (1910, Rekonstruktion 1994 von Isabella Fokine und Andris Liepa) choreografisch, tänzerisch und bühnentechnisch (mit den Originaldekorationen) aufwändig sind.
Das Unverständnis des gesamten Programms bei den Veranstaltern spiegelt sich auch deutlich im Programmheft wieder: Kein einziger Text befasst sich ausführlich mit den choreografischen Leistungen an diesen Werken, die ja nun eindeutig von ihrer Uraufführung an als Bühnenwerke konzipiert waren und nicht als Konzertstücke.
Dementsprechend missverständlich kam auch die legendäre Inszenierung von „Les Noces“ daher – zwischen Langeweile und Desinteresse. Der „Sacre“ lebt von der Organisation der Rhythmik und den komplex und anspruchsvoll durch den Raum inszenierten Tänzergruppen, die das heidnische Ritual der Opferung einer Frau heraufbeschwören. Dass Daria Pavlenko als Auserwählte trotz musikalischen Zeitmangels das berühmte Solo zur Geltung brachte, spricht für die Tänzerin aber nicht für eine partnerschaftliche Durchdringung von Musik und Choreografie.
Fokins ästhetisch traditionsverbundener „Feuervogel“ funktionierte da noch am besten. Dass ausgerechnet die avancierten und in jeder Hinsicht neuzeitlichen Choreografien der Ballets Russes-Zeit in Salzburg nicht zum Blühen kamen, ist bitter. Dass Fokins ins 19. Jahrhundert verweisender„Feuervogel“ mit der sympathisch-spritzigen Alexandra Iosifidi in der Titelrolle, Ekaterina Mikhailovtseva als Zarewna, dem blassen Ivan Sitnikov als Iwan und dem Meister einer anderen Generation, dem Charaktertänzer Vladimir Ponomarev als Kaschtschej klappte, stimmt nachdenklich.
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