„P.S. Susanne Curtis“ von Susanna Curtis

„P.S. Susanne Curtis“ von Susanna Curtis

Etwas vergeigt, viel gewonnen

Zum zwölften Mal zeigt „Schleudertraum“ zeitgenössischen Tanz in Regensburg

Seit 2005 veranstaltet die Tanzstelle_R, ein Zusammenschluss freischaffender Choreografen und Tänzer, das Festival „Schleudertraum“. Die diesjährige Ausgabe litt ein wenig unter mangelndem Zuspruch an Publikum - behauptete sich aber trotzig.

Regensburg, 12/10/2016

Seit 2005 veranstaltet die Tanzstelle_R, ein Zusammenschluss freischaffender Choreografen und Tänzer in Regensburg und Umgebung, den „Schleudertraum“, heuer bereits zum zwölften Mal. Das Tanzfestival unter der künstlerischen Leitung von Alexandra Karabelas ist zu einer wichtigen Plattform für zeitgenössischen Tanz aus der Welterbestadt geworden. Die Initiative für die - jedes Jahr wieder auf's Neue anzuschiebende ehrenamtlich gemanagte - Programmarbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Heuer wanderte das Festival erstmals in den Herbst mit zwei prall gefüllten Abenden im Uni-Theater.

„Being an artist“ – „ein Künstler (zu) sein“, lautete das Motto des ersten Abends mit Choreografien von Martina Feiertag, Alesso Burani, Katrin Hofreiter, dem indonesischen Gasttänzer Dian Bokir und Susanna Curtis aus Nürnberg. Eine improvisierte Performance setzten Kilta Rainprechter, Sängerin und Bratschistin Anka Draugelates und der Schlagzeuger Fredi Pröll am Schluss des Abends gekonnt in Szene. Obwohl besser besucht als der zweite Abend mit Stücken aus dem Tauschprojekt „Transformance CityXchange“, war das Theater auch bei diesen Lokalgrößen kaum mehr als zur Hälfte besetzt. Möglicherweise war die zeitliche Nähe zu den bald beginnenden Tanztagen ein Grund für das mangelnde Interesse, ganz sicher aber die Doppelung mit den Sommer-Tanztagen, die heuer erstmals stattgefunden haben. Dabei waren erst vor wenigen Wochen das bewegende Duett „Mit jeder Faser“ von Martina Feiertag und Alessio Burani und zwei weitere Stücke in der Alten Mälzerei zu sehen gewesen. Zwar konnten sich die Tanzenden in Buranis intensiver und bewegender Auseinandersetzung zwischen Individuum und Kollektiv, zwischen Annäherung und Abstoßung „A part of...“ und auch Martina Feiertag mit ihrem hinreißenden Solo „Anamese“ auf der großen, gut ausgeleuchteten Fläche am Uni-Theater wesentlich besser und damit eine stärkere Wirkung entfalten. Dennoch war der zeitliche Abstand zu ihrem Mälze-Auftritt einfach zu kurz. Die Begegnung zweier Menschen, das Sich-Einlassen, Streiten und Sich-Entfernen ertanzten sich Burani, Tänzer im Ensemble des Regensburger Theaters, und Feiertag im wahrsten Sinn des Wortes „mit jeder Faser“. Der melancholische Ausklang ihres etwa zehnminütigen Duetts gibt immer wieder Anlass zur eigenen Reflexion.

In keinem Programm zu finden, bildete der kraftvolle Auftritt des indonesischen Tänzers Dian Bokir mit seinem Solo „Kuda kuda“ die tänzerisch wie ästhetisch größte Überraschung des Abends. Sein kerniger Tanz weckte Assoziationen zu traditionellen religiösen und Tempelritualen, wie man sie von Reisen und aus Reportagen kennt. Gepaart mit durchaus zeitgenössischen Formen und einem männlich-kriegerischem Ausdruck wirkte der bis auf einen golddurchwirkten Lendenschurz unbekleidete Tänzer wie die moderne Verkörperung eines exotischen Wilden. Ursprünglich hatte Feiertag ein Duett mit dem Indonesier geplant. Wegen Verzögerungen bei der Ausstellung des Visums und weiterer administrativer Hindernisse ließ sich das aber zeitlich nicht mehr realisieren. Bokirs so spannender wie faszinierender Solotanz entschädigte bestens für das Entgangene.

Eine „Reise zu sich selbst, da wo wir schon waren“ betrieb anschließend die Regensburger Tänzerin Kartrin Hofreiter mit ihrer eigenen, mehrdeutigen Choreografie „wir – ein Solo über uns“. Mit einer altertümlich anmutenden Ästhetik des Ausdruckstanzes der 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts, wenig Tanz und viel Arm- und Handbewegungen ist ihr diese Erforschung in reichlich verklausulierter Form nur recht bedingt gelungen. Zudem steht ihre eigenwillige Form des Tanzes in einem qualitativ erheblichen Abstand zu Choreografien und Tanz von Burani, Susanne Curtis und anderen. Deren, Curtis` getanzte Biografie „P.S. Susanna Curtis“ begeisterte zwischen Selbstentblößung, akkuratem klassischem Ballett und köstlicher Selbstironie. Die in Nürnberg ansässige Schottin blättert tanzend und erzählend einen narrativen Bilderbogen ihrer Kindheit, über Schule und Pubertät, durch die unsägliche Discoära, Beziehungen und Ehen bis heute auf. Curtis' Tanz durch die Garderobe ihres Lebens hat ihren Höhepunkt im wunderbaren Adagio aus Edward Elgars Enigma-Variation Nr. 9 „Nimrod“. Angekommen im Jetzt, spannt sie den Bogen zurück in die Kindheit: „To dance is the dream that should never end!“ Ein bemerkenswertes Stück, stellenweise etwas lang, mit Witz und Hingabe schön getanzt

Dagegen war die als „Frontalangriff auf Hör- und Sehgewohnheiten“ angekündigte Improvisation „recycle mum“ von Rainprechter und Co. ein Reinfall. Nach einem vielversprechenden Beginn vergeigten die drei, Tänzerin Kilta Rainprechter, Anka Draugelates (voc, vc) und der Münchner Fredi Pröll (dr), das Ganze. Obwohl dem Trio die Aufführung wie Sand zwischen den Fingern einfach verrieselte, gehört eine Menge Mut, Beherztheit, aber auch Demut gegenüber sich und dem Publikum dazu, sich auf ein solches Experiment einzulassen und es dann auch unerschrocken durchzuziehen. Das muss man anerkennen. Die Stadt Regensburg tut das seit vielen Jahren und fördert das kleine, frauhafte und inspirierte Festival, das sich zwischen den Regensburger Tanztagen und der Tanzkompanie des Theaters behaupten muss.
 

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